Warum wir in Valladolid ein Weltwunder links liegen gelassen haben

Posted by:

|

On:

|

Bevor es in Valladolid ins Hotel ging, mussten wir erstmal unsere Mitfahrerin im Stadtzentrum abliefern. Wie also bisher immer, gab es auch diesmal keine entspannte Anreise für uns, sondern einen Trip durchs hitzige Stadtzentrum. Kurz vor unserer Ankunft zog ein Hurricane über den Golf und seine Ausläufer ließen auch hier in Valladolid einiges an Wasser ab. Die Straßen waren teilweise mehrere Handbreit unter Wasser – und da die mexikanische Kanalisation wohl genauso zuverlässig ist wie die mexikanische Stromversorgung, bleiben die Pfützen auch mehrere Tage stehen. Anna machte sich schon Sorgen, dass unser Auto absäuft, aber zum Glück ist auf die Qualität japanischer Autos verlass. Aber auch ungeachtet der Pfützen ist der Verkehr in Valladolid wahrlich überwältigend – im negativen Sinn. Mopeds haben unser Auto links und rechts ohne großen Abstand überholt, spontane Einparkmanöver blockierten die Straße. An den laufenden Ampeln regelt trotz Ampel die Polizei den Verkehr – wahrscheinlich wieder Arbeitsplatzbeschaffung. Der ganze Verkehrstumult lässt den Stresspegel höher schießen. Zum Glück hatten wir diesmal speziell ein Hotel mit Parkplatz gebucht. Dieser versteckte sich hinter einem unscheinbaren Tor, das wir bei unserer zweiten Runde um den Block auch endlich entdeckten.

Sobald wir geparkt hatten, ging’s in die Rezeption. Dort wurden wir erstmals positiv überrascht. Der Rezeptionist sprach nicht nur ausgezeichnet Englisch, sondern hatte gleich noch eine Präsentation parat, um uns die Highlights der Stadt zu zeigen. Eines der Highlights war eine wiederkehrende Lichtershow, die zufälligerweise auch am selben Abend stattfinden sollte – diese wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und machten uns zeitnah auf den Weg. Auf halber Strecke kamen wir noch an örtlichen Totenfest-Zeremonie vorbei. Endlich waren wir wieder im Flow angekommen und genossen den Urlaub in vollen Zügen.

Als wir bei der Lichter-Projektionsshow ankamen, war der Platz schon gut gefüllt und die Show mit spanischer Vertonung lief schon. Entweder hatten die meisten Touristen nicht auf dem Schirm, dass die Vorführung danach noch auf englisch gezeigt wurde, oder die ganzen Touristen waren der spanischen Sprache mächtig. Die anschließende englischsprachige Vorführung war deutlich schwächer besucht und wir hatten beste Platzauswahl.

Für die Lichterprojektion an der großen Kirche im Zentrum hatte die Polizei sogar extra eine der Hauptverkehrsadern der Stadt abgesperrt – was uns zu unserem größten Kritikpunkt der Stadt bringt: die Straßenführung. Wenn diese Stadt einen Preis gewinnen würde, dann für die wohl dämlichste Straßenführung der Welt.

Valladolid liegt an der Kreuzung von zwei Mexikanischen Highways, der 295 und der 180. Wo genau kreuzen sich diese beiden Highways? Am zentralen Park, mitten im Stadtzentrum. Man stelle sich den Altstadtkern eines bayerischen Städchens vor und fügt in das geistige Bild den Lärmpegel und die Abgase einer deutschen Autobahnkreuzung ein! Voila – schon hat man Valladolid’s Stadtzentrum! Unser Hotel lag genau an einem Ast dieser Highways. Hinzu kommt, dass die Bürgersteige entlang der Highways kaum breit genug für zwei Personen sind und stellenweise durchlöchert waren wie ein schweizer Käse. Der morgendliche und abendliche Spaziergang vom und zum Hotel war entsprechend alles andere als gemütlich.

Trotzdem zog es uns  oft ins Stadtzentrum zum Verweilen – auch weil es kaum Alternativen hierzu in Valladolid gab. Eines unserer liebsten Hobbies ist es, andere Menschen zu beobachten. Und einige Gesichter kamen uns hier sehr bekannt vor! Wie sich herausstellte, sind viele der Touristen, die wir Tage zuvor in Campeche oder Bacalar gesehen haben, inzwischen auch in Valladolid angekommen. In unserer heimischen Großstadt begegnen wir selten dieselben Leuten zweimal, aber hier, auf einer Halbinsel so groß wie halb Deutschland, trifft man ständig die gleichen Touristen. Wir können uns das nur so erklären, dass alle, wie wir auch, die gleiche Standard Road-Trip Route von den unzähligen, immer gleichen Reiseblogs nachfahren.

Die Nacht im Hotel war kaum besser als in Xpujil – auch in Valladolid hatten wir ein schimmliges Zimmer. Um es etwas erträglicher zu machen, schoben wir das Bett ans Fenster und schliefen bei offenem Fenster. Es lief gut bis in die frühen Morgenstunden, als plötzlich toxischer Rauch durchs Fenster zog. Offenbar wurde in der Nähe Müll verbrannt – eine Praxis, die wir in Mexiko schon oft vom Auto aus gesehen, aber noch nie gerochen hatten. Wir hatten wieder die Qual der Wahl: stickiger Rauch oder Schimmelsporen? Da wir zu müde waren, das Fenster zu schließen, blieb es bei Ersterem.

Valladolid ist ein ideal gelegener Ort für diverse Tagesausflüge – in überschaubarer Distanz von dem Städtchen liegen u.a. die weltbekannten Maya-Pyramiden von Chichen Itza. Letztere werden auch zu den neuen sieben Weltwundern gezählt! Das darf man sich ja wohl nicht entgehen lassen, oder? Wir waren uns da nicht so sicher… Wir sind aus Zeitdruck bereits auf dem Weg zum Totenfest an Chichen Itza vorbeigefahren und waren jetzt am überlegen, Chichen Itza nachzuholen. Ganz überzeugt waren wir aber noch nicht. In der Zwischenzeit hatten wir ja schon das ähnlich prächtige Uxmal gesehen. Warum wir uns letztendlich dazu entschlossen haben, das Weltwunder links liegen zu lassen und doch lieber in Cenoten baden zu gehen, waren die Chichen Itza Reiseberichte, die wir gehört haben. Mehrmals auf unserem Roadtrip haben wir mit Touristen gesprochen, die sich das Weltwunder bereits angesehen hatten – keiner war von Chichen Itza überwältigt zurückgekehrt. Es sei massiv touristisch überlaufen, teuer und über-kommerzialisiert. Und, wie Anna’s Bruder uns vor unserer Reise bereits mitgab: “Maya Pyramiden sind wie katholische Kirchen – haste eine Maya Pyramide gesehen, haste alle gesehen.” Wir bereuen es auch heute nicht, an einem Weltwunder vorbeigefahren zu sein, ohne es uns anzuschauen – im Gegenteil, wir würden es wahrscheinlich wieder tun.

Turthful Traveler’s Tip
Man muss nicht alles gesehen haben – manche Sachen sind einfach nur overhyped!

Über die Tagesausflüge die wir stattdessen gemacht haben, berichten wir in den nächsten zwei kurzen Kapiteln zu Park Xkeken und Rio Lagartos. Hier schonmal zwei kleine Teaser was wir dort gesehen haben:

In Valladolid selbst haben wir uns mehr oder weniger zufällig noch die Casa de los Venados angeschaut. Hierauf hat uns auch unser Rezeptionist aufmerksam gemacht. Glücklicherweise erwischten wir gerade so noch die letzte Führung. Das Gebäude macht erstmal einen unscheinbaren Eindruck, aber hinter der Fassade verbirgt sich eine großflächige Villa mit einer wilden Geschichte. Auf den ersten Blick wirkte es wie ein Restaurant mit vielen Esstischen und einer Bar, allerdings ohne Bar- und Küchenbetrieb. Jeder freie Platz auf dem Boden und an der Wand war zudem wie in einer Kunstgalerie mit Kunstwerken geschmückt – allerdings ist das Gebäude nur bedingt der Öffentlichkeit zugänglich und die meisten Werke sind nicht von großem Wert.

Die 1A gelegene Villa hätte außerdem genug Gästezimmer, Suiten und einen ausreichend großen Pool für einen profitablen Hotelbetrieb, wurde aber nie dafür genutzt und war nie dafür gedacht. Die Zimmer schienen generell kaum genutzt worden zu sein und alterten stattdessen ungenutzt vor sich hin… Es war ein bisschen von allem aber auch irgendwie nichts davon. Bizarr wie so vieles das wir in Mexiko erleben duften.

Auch unseren zweiten Abend verbrachten wir wieder im zentralen Park. Diesmal gönnten wir uns dabei eine lokale Spezialität: Marqasitas – eine Süßspeise aus einer gefüllten, aufgerollten Waffel!. Zwar gab es überall im Zentrum verwaiste Eis- und Lederwarenstände, aber Marqasitas? Natürlich nur an einem Stand… – mit einer endlosen Schlange. Die unsichtbaren Kräfte des Angebots und der Nachfrage scheinen in der mexikanischen Wirtschaft aus irgendeinem Grund wieder nicht zu wirken… Wir stellten uns also brav an und warteten, bis wir unsere Marqesita bestellen konnten.

Ich buchstabiere Marquasitas – oder Marqasitas? – aus purem Protest jedes Mal anders. Dieses fragwürdige Gericht ist es einfach nicht wert, sich den Namen zu merken. Eine aufgerollte, gefüllte Waffel klingt ja ganz lecker, aber die Mexikaner haben hier einfach kein Gespür, was sich als leckere Füllung für eine Waffel eignet. Die klassische Füllung ist nämlich Käse-Nutella. Richtig gelesen: Käse-Nutella!! Wir dachten erst, es schmeckt vielleicht besser, als es klingt, schließlich essen das alle hier, aber nein – es schmeckt wie es klingt!

Das ganze hat uns so abgeschreckt, dass wir uns am letzten Tag in Valladolid erstmal eine italienische Pizza gönnten! Welch willkommene Abwechslung! Die guten Bewertungen der Pizzeria ums Eck können wir bestätigen – dort wurde v.a. auch mitgedacht! Als Teil der Vorspeise gab es eine Flasche Mosquitospray.

Die Männertoiletten waren hier übrigens sehr sauber – die für die Frauen allerdings verstopft. Ein nicht seltener Anblick im touristischen Yucatan! Generell gilt, je touristischer das Gebiet und je näher man dem Flughafen von Cancun kommt, desto weniger vertraut sind die Toilettenbesucher mit dem mexikanischen Alltag… und der besteht daraus, sein benutztes Toilettenpapier in den Mülleimer zu schmeißen, statt es herunter zu spülen. Das können die mexikanischen Abwasserleitungen nicht ab und verstopfen dann gerne mal. Wo man in Mexiko dagegen nicht mit Verstopfungsproblemen zu Kämpfen hat, ist im eigenen Darm. Die inhärente Schärfe der lokalen Küche sorgt hier für einen einfachen Stuhlgang…

Die mexikanischen Küche
Wie die authentisch mexikanische Küche als Weltkulturerbe zählen kann, ist uns ein Rätsel. Die Regeln der hohen französischen Küche sind ihr so fremd wie Abwechslung und Ausgewogenheit. Stattdessen wird alles in irgendeiner Weiße in die omnipräsenten Tortillas gewickelt, gefalten, gestapelt oder gelegt. Ob Taco, Burrito, Quesadilla, Empanada, Gringa, oder auch mexikanische Frühstücksspeisen – man isst sich in diesem Land durch kiloweise, geschmackloser, trockener Tortillas. Die Füllung sind oft sehr lecker – keine Frage, aber muss denn wirklich alles mit Tortillas kombiniert werden?

Bevor es von Valladolid aus mit dem Auto weiter ging, mussten wir nochmal tanken. Diesmal gab es das volle Komplettprogramm. Drei Angestellte checkten den Reifendruck und putzten die Scheiben – und das alles in einem Tempo, wie man es von Formel 1 Boxenstopps im Fernsehn kennt! Dafür gibts dann auch gerne mal etwas mehr Trinkgeld.

Tag 15

Not so Lost Place: Park Xkeken

Posted by

in