YUCATAN ROADTRIP

Die Fahrt nach Merida war ein ganz anderes Erlebnis im Verglich zu Cancun-Tulum. Das lag v.a. an der neuen Mautstraße dorthin, die der deutschen Autobahn in kaum etwas nachsteht (zumindest wenn die Autobahn mal keine Dauerbaustelle ist). Der Preis für die zwei Stunden, die wir über die Mautstraße heizten? Schlappe 11€ und damit weit mehr als eine vergleichbare Strecke in beispielsweise Italien. Als Touri, der sich dadurch drei Stunden Buckelpiste spart, ist das ein Preis, den man gerne bezahlt. Für viele Mexikaner aber ein bisschen zu teuer – Die bleiben lieber auf der parallel verlaufenden, alten Straße und lassen sich wie gewohnt von den Schlaglöchern durchschütteln, bis die Stoßstange vom Wagen fällt.
Insgesamt bekommt man von Mexiko den Eindruck, dass das was an Steuergeldern und Touri-Einnahmen zusammenkommt, nicht zur Instandsetzung bestehender Infrastruktur o.ä. genutzt wird, sondern lieber große Prestigeprojekte gebaut werden, von denen die Einheimischen nicht viel profitieren. Einen ähnlichen Eindruck hatten wir von der neuen Tren-Maya Zugverbindung, die auch parallel zu unserer Mautstraße verlief. Dieses Projekt wird übrigens von der Deutschen Bahn mitberaten, deswegen schonmal unser Beileid an die Mexikaner voraus.
Aber zurück zu Merida. Millionenmetropole und größte Stadt der Halbinsel. Daher auch unser naheliegendes Ziel, um einen möglichst großen Totenfest Umzug in Yucatan zu sehen… dachten wir… Wir trafen schon Nachmittags in Merida ein – das Handy-Navi hatte uns natürlich wieder durch die kleinsten Gässchen getrieben, bis wir mit leichtem Stresspegel und einer guten Portion Hunger am Hotel ankamen.
Zugleich machten wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem und fanden die wohl besten Tacos, die wir auf unserer Reise gegessen haben. Ihr Geheimnis? Es waren ausnahmsweise keine authentisch mexikanischen Tacos. Was wir in Merida aßen, war mehr eine westliche Interpretation des Tacos, die sich die Regeln der hohen französischen Küche zunutze machten und ein ausgewogenes Geschmackserlebnis bot – das hatte aber auch seinen Preis. Mit minimal vollerem Magen und deutlich leichterem Geldbeutel, ging es also zur Hauptattraktion unseres Merida Aufenthaltes. Man kennt die Totenfest Parade vielleicht aus der Eröffnungsszene des James Bond Films Spectre. Kleiner Fun-Fact am Rande: im Film handelte es sich nicht um eine mexikanische Tradition, sondern eine Inszenierung Hollywoods, die die Mexikaner kurz nach Veröffentlichung des Films übernahmen.

Dummerweise war die Parade am fast anderen Ende der Innenstadt und wir überlegten wie wir dorthinkommen könnten. Als wir uns zwischen einer 45-minütigen Busfahrt und einem ca. 1-stündigen Spaziergang entscheiden mussten, fiel die Wahl auf Letzteres. Einerseits hatten wir keine Lust, uns nach der langen Autofahrt noch mit einem spanischsprachigen Busfahrer und dem Ticketkauf rum zu schlagen, andererseits, konnten wir uns so gleich ein grobes Bild der Stadt verschaffen. Ein kleiner Fehler, denn schnell zog ein Regen auf und durchweichte unsere ganzen Klamotten und verwandelte den Bürgersteig in eine Rutschpartie. In Kombination mit einem Blähbauch, der sich immer noch an das mexikanische Essen und seine inhärente Schärfe gewöhnen musste, kein Spaß. Zugegeben wäre uns ein entspannter Abend in Hotelnähe vielleicht lieber gewesen, aber die einmalige Chance, das Totenfest zu sehen, trieb uns voran.

Als wir die Straßen des Umzugs rechtzeitig erreichten, waren wir etwas verblüfft. Hier wurde kurz vor knapp noch ohne jede Hektik gemütlich aufgebaut. Leider lernten wir, dass der Umzug erst zwei Stunden später als gedacht starten wird. Die Startzeit aus der Lokalzeitung bezog sich wohl auf das peinliche Vorgeplänkel zum Umzug, nicht auf den Umzug selbst. Auf einer unbeachteten Bühne profilierten sich also noch zwei Stunden lang irgendwelche Lokalberühmtheiten und Politiker in peinlichen Reden und Schauspielereien. Um die Zeit zu überbrücken, sahen wir uns noch den schaurig geschmückten Friedhof an und ließen unsere Gesichter passend schminken.



Während es bei mir aussah wie ein düsterer Totenkopf, sah es bei Anna eher aus wie ein süßer Panda, weil die mexikanische Visagistin sich nicht traute, den Lippenstift mit Totenkopf-Zähnen zu übermalen…

Kurz vor dem Umzug nahmen wir auf einer der kleinen aufgestellten Tribünen Platz, ca. 100m vom Startpunkt des Umzugs entfernt. Hierfür gab es übrigens keinerlei Tickets, Eintritt, Taschenkontrollen oder sonst was – einfach ein paar aufgestellte Tribünen am Straßenrand. Eine Unkompliziertheit, wie wir sie uns öfter auch für Deutschland wünschen würden.
Der Umzug begann mit einer Feuershow – zumindest sah es aus 100m Entfernung so aus – genau sehen konnten wir sie nicht und an uns vorbeigezogen ist sie auch nicht. Scheinbar war sie den ersten 10m des Umzugs vorbehalten… Schade, aber wahrscheinlich auch nichts, was wir nicht an anderer Stelle schon mal gesehen haben. Der eigentliche Umzug begann schließlich mit ein paar Trommlern in alten Maya Gewändern, gefolgt von einigen Hundert Kerzenträgern die auch in Maya Gewändern und Totenkopfmalereien gekleidet waren.

Ein sehr bezaubernder Auftakt. Der nächste Abschnitt des Umzugs? Touristen und Churros-naschende Einheimische… äh, was? Nein, keine großen Skulpturen, geschmückte Wägen, Musikgruppen, Tanzgruppen, o.ä., wie Hollywood sie für Mexiko City herbei fantasierte… Touris und Mexikaner in Jeans und Jacke. Es dauerte einen Moment bis wir realisierten, dass der Umzug schon wieder vorbei war, und sich die Zuschauer dem Umzug angeschlossen hatten. Ohne viel Zeit damit zu vergeuden, diese Tatsache zu betrauern, schlossen wir uns auch der Masse an. Auch wir gönnten uns auf dem Weg eine Ladung Churros – die war uns beim Anblick der Alternative lieber: Die meisten anderen Stände verkauften frittierte Würste in chemisch-pinker Farbe. Den Straßenrand schmückten immer wieder kreativ gestaltete Altäre, die den Toten gedachten und so wurde der mexikanische Menschenstrom ein Erlebnis für sich.

Unser Gefühl der Verbundenheit mit mexikanischer Kultur war in diesem Moment wohl während der ganzen Reise am höchsten. Eine knappe Stunde mit dem Umzug zu watscheln war uns dann aber auch genug des Guten. Zum Glück sind die Mexikaner alle ziemlich klein, weshalb wir schnell das nächste Seitengässchen ausgemacht hatten, um uns vom Umzug wieder zu verabschieden. Überraschenderweise wurde uns in dem dichten Gedränge des Abends nicht mal das Portemonnai aus der Tasche gestohlen und wir kamen zu später Stunde wieder heil zurück im Hotel an.


Unser zweiter Tag in Merida verlief vergleichsweise unspektakulär. Wir sahen uns im Zentrum die Sehenswürdigkeiten der Stadt an, darunter die Kathedrale, einen Regierungspalast und ein altes Kolonialhaus. Letzteres ist inzwischen ein Museum und eine Bank – ziemlich komische Mischung. Während schick gekleidete Touristen sich irgendwelche hässliche moderne Kunst anschauen, stehen arme Mexikaner im Museum Schlange für ihren Banktermin am anderen Ende des Gebäudes… ein Anblick der Gegensätze. Positiv überrascht hat uns, dass sowohl der Regierungspalast, als auch das Museum keinen Eintritt gekostet haben.





Nach so viel Touri Zeugs hatten wir natürlich wieder Hunger und haben ums Eck ein gut bewertetes Lokal herausgesucht. Das ganze war gar nicht so einfach zu finden. Statt Kellnern, die wild mit ihren Speisekarten fuchteln und dir entgegenkommen, versteckte sich unser Restaurant hinter einer kleinen, unscheinbaren Treppe zwischen zwei Geschäften. Was wir am Ende der Treppe fanden, war ein proppenvolles, großes, mexikanisches Restaurant. Beim Durchschauen der Karte dort entschieden wir uns wieder für zwei Burritos. Normalerweise fallen mexikanische Standard-Portionen relativ klein aus. Sicherheitshalber bestellte ich also noch eine extra Portion Nachos mit Rindfleisch. Als der Kellner noch vor der Größe der Portion warnte, tat ich das als Papperlapapp ab – die Mexikaner kannten ja nicht die Dimensionen einer gescheiten bayerischen Haxe. Anna rollte dabei schon die Augen und sollte Recht behalten. Was uns an den Tisch geliefert wurde, hätte eine ganze mexikanische Großfamilie ernähren können. Einen Teil des Essens ließen wir uns also zum Mitnehmen einpacken. Der Teil den wir gegessen hatten, hat uns so voll gestopft, dass wir schon scherzhaft mit dem Gedanken gespielt haben, eine Kutschfahrt mit den kitschig-lilanen Kutschen zurück ins Hotel zu nehmen…


Nachdem wir innerhalb von zwei Tagen gefühlt alles Sehenswerte in Merida gesehen hatten, machten wir uns auf in die nächste Stadt: Campeche. Die Hauptstadt des benachbarten, gleichnamigen Bundesstaates Campeche. Auf dem Weg hatten wir aber noch einen Zwischenstopp in Uxmal, wo prächtige, große Maya Ruinen warten.

Tag 7