YUCATAN ROADTRIP

Worin sich Campeche nicht von den anderen größeren Städten auf unserer Reise unterscheidet, ist das Zentrum. Immer besteht es aus einer großen Kirche, einem zentralen, viereckigen Platz der mit Churro- und Eiscreme-Ständen gespickt ist und einigen Regierungsgebäuden und/oder einem Museum. Die Ähnlichkeit ist hier ähnlich verblüffend wie bei bayerischen Altstadtkernen. Was Campeche allerdings unterscheidet, ist eine noch sehr gut erhaltene Stadtmauer mit sechs Bastionen, die die Spanier zur Kolonialzeit errichteten.
Unser Hotel war praktischerweise in der Altstadt. Unpraktischerweise haben die dichten, bunten, fotogenen Reihenhäuschen der Altstadt keine Parkgaragen o.ä. und man muss sich in irgendeinem Seitengässchen an den Straßenrand stellen. Wird schon kein Problem sein, dachte wir, und stellten uns ums Eck neben eine Hauswand. Wir achteten natürlich darauf, dass wir keine Ein- oder Ausfahrt blockierten und kein Parkverbotschild in der Nähe war. Zudem stellten wir uns hinter ein anderes Fahrzeug und machten lieber keine neue Parkreihe auf. Zufrieden mit unserem Parkplatz begannen wir unsere Koffer auszuladen, als plötzlich ein fetter SUV hinter uns hält und ein wild fuchtelnder, lauter Mexikaner aussteigt. Nach einigen anfänglichen Kommunikationsproblemen verstanden wir, dass wir wohl trotz all unserer Vorkehrungen immer noch im Parkverbot standen. Als wir uns dankbar zeigten und die Koffer wieder einluden wurde der Mexikaner wieder sehr freundlich. Er erklärte uns, dass wir uns an der Bordsteinkantenfarbe orientieren müssen. Ist der Bordstein gelb, darf man dort nicht parken. Ist er weiß, darf man dort parken. Verstanden! Wir fuhren also eine Runde um den Block und suchten nach einem freien Parkplatz mit weißem Bordstein. Einziges Problem? Wie auch die Straßenmarkierungen, sind auch die Bordsteinfarben schon ausgewaschen und abgeplatzt, sodass man sie eigentlich kaum erkennt. Die Bordsteine werden wohl auch regelmäßig übermalt, mal weiß, mal gelb, wodurch viele Bordsteinkanten eher unidentifizierbar beige aussehen. Wir fanden recht schnell dann doch noch einen Parkplatz bei dem wir uns diesmal noch sicherer waren, dass es wirklich ein Parkplatz war. Dass es wieder ein knappe Kiste war sahen wir zwei Tage später als direkt hinter unserem Auto der Fahrbahnabschnitt abgesperrt war.
Truthful Traveler’s Tip!
Parke in Mexiko nicht an einer gelben Bordsteinkante! Dort gilt Parkverbot!


Am nächsten Morgen starteten wir eine kleine Sightseeing Tour der Stadt. Wir begannen mit den eingangs erwähnten Bastionen. In einigen verstecken sich auch kleine Museen über Piraten und Maya Artefakte. Wenn überhaupt Eintritt verlangt wird, ist dieser meist sehr kostengünstig – viel zu sehen gibt es dafür aber oft auch nicht. Die meisten Museen sind im Gesamten kaum größer als die Eingangshalle des deutschen Museums in München. Im Maya Museum von Campeche sind wir übrigens wieder auf deutsches Steuergeld gestoßen. Diesmal wurde eine Ausgrabungsstätte von einer deutschen Hochschule finanziert und die entsprechenden Ausgrabungen dort ausgestellt. Die Kirche im Zentrum konnten wir uns leider nicht anschauen, da gerade ein Gottesdienst lief. Schon wieder… denn auch am Abend davor hatte uns ein Gottesdienst davon abgehalten. Wir waren schon am Abend unserer Ankunft im Zentrum an der Kirche vorbeigekommen, als wir ein Restaurant zum Abendessen suchten.


Apropos Essen – dass Campeche weit entfernt von den Tourismus Hochburgen an der Riviera Maya der Ostküste ist, erkennt man sehr gut an der schwachen Restaurantauswahl. Selbst das bestbewerteste im Mittelpreissegment hat uns hier nicht annährend überzeugen können. Auch die lokale Traditionsküche ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Der Kokusshrimp Taco z.B. wurde mit einer marmeladenartigen Soße übergossen, was genauso grauenhaft schmeckt wie es klingt. Es ist nicht das einzige Gericht in der mexikanischen Küche bei dem süß und herzhaft in penetranter weise vermischt wird. Zumindest die Cocktails waren in Campeche gut. Für gerade mal 4€ bekommt man hier praktisch eine ganze Schüssel Margharita – und mit dem Alkohol wird hier, wie auch auf dem Rest der Halbinsel, überhaupt nicht gespart. Die Cocktails sind oft so stark, dass es einem beim Trinken das Gesicht verzerrt.

Während wir uns Mittags nach unserem Museumsbesuchen kurz auf einer Bank auf dem zentralen Platz ausruhen, beobachteten wir noch das mexikanische Treiben. Komischerweise stehen auf dem zentralen Platz ein Dutzend Schuhputzer, die alle keine Kunden haben. Vielleicht ein oder zwei Paar Schuhe wurden in der halben Stunde die wir verweilten geputzt. Kein Wunder, dass das Geschäft so schlecht läuft, tragen doch fast alle Mexikaner Sneakers. Auch gab es hier wieder die üblichen Eiscreme-, Marquasita- (dazu später mehr) und Churros-Verkäufer. Erstmals fragten wir uns wie die Verkäufer bei der schwachen Nachfrage, davon leben können. Die Antwort lieferte ein gepflegter Mexikaner im Anzug. Er kam auf uns zu und warb für sein Meeresfrüchte-Restaurant; gab uns sofort eine Visitenkarte und empfahl uns sein Fisch-Ceviche. Als wir ihm signalisierten dass wir schon gegessen hatten, wollte er uns stattdessen etwas von seinem Getränkeverkäufer andrehen. Oder ob wir nicht Lust auf etwas Süßes von seinem Churroverkäufer hätten? Scheinbar handelt es sich also bei den ganzen Straßenverkäufern nicht um Selbstständige, sondern um zusammenhängende Großunternehmungen in den Händen einiger reicher Mexikaner. Denen ist wahrscheinlich egal ob mal ein Tag besser oder schlechter ausfällt…

An unserem letzten Abend in Campeche wollten wir uns den Sonnenuntergang über dem Golf von Mexiko, wie er damals noch hieß, nicht entgehen lassen. Damit Anna dabei auch was sieht, sollte ich ihr, ihre Brille aus unserem Rucksack geben. Dummerweise rutschte sie mir dabei aus der Hand und flog in hohem Bogen in den Golf. Dummerweise war es ja auch kein Strand wo wir saßen, davon gab es in Campeche ja keinen. Wir saßen auf der Ufermauer an der Promenade, die das Meer von der Stadt trennte. Die Brille platschte ins Wasser und versank sofort. Wir starrten nur fassungslos hinterher. Das Wasser war nicht seht tief und man sah die Brille noch am Meeresboden liegen. Einfach reinspringen war allerdings ausgeschlossen – an der Ufermauer gab es keine Ausstiegspunkte, wie man das an deutschen Hafenanlagen gewohnt war. Und da wir an beiden Tagen an denen wir hier waren niemanden hier baden gesehen haben, hatte wir auch Angst, dass es hier verboten war zu baden und keine Lust auf einen dicken Strafzettel von der vielen Polizei hier. Stattdessen sammelten wir mit unseren MacGyver Instinkten andere Lösungen. Die Angelgeschäfte wo man vielleicht einen Kescher bekommen hätte, hatten leider nicht mehr geöffnet. Stattdessen suchten wir schonmal den nächsten Supermarkt nach Fäden, Seile, Nadeln und dergleichen ab, in der Hoffnung, man könnte sich daraus eine Angel basteln. Als sich schon langsam Resignation breit machte, liefen wir zufällig an der örtlichen Touristeninfo vorbei. Ich hatte da nicht viel Hoffnung… nach allem was wir bisher in Mexiko erlebt haben, könnten wir wahrscheinlich froh sein wenn die Beschäftigten hier mehr als ein paar Brocken Englisch sprachen. Anna hegte da mehr Hoffnung – und behielt recht. Die Dame an der Touristen-Info sprach zufälligerweise sogar ganz passabel Deutsch! Als wäre sie von Gott gesandt, machte sie sich unser Problem zu eigen! Schnell war in der Nähe ein volles Polizeiauto ausfindig gemacht und die Dame machte sich zielstrebig auf den Weg. Sie beschwerte sich noch aus der Ferne, dass die Polizisten wieder mal nur am Handy rum hingen. Etwas, dass auch uns schon aufgefallen war, und zwar nicht nur bei den Polizisten in Mexiko.
Als sie mit der Polizei sprach, schienen die erst gar nicht begeistert. Die hatten sich wohl auf einen entspannten Abend eingestellt, und nicht darauf, irgendwelche Brillen für Touris aus dem Golf zu fischen. Unsere Touristeninfo-Dame blieb aber hartnäckig – mit Erfolg. Die Polizei verständigte die Zentrale und schickte uns eine Streife an die Uferpromenade. Schnell machten wir uns auf den Weg und trafen dort zwei Polizisten, die bereits mit Taschenlampen nach uns suchten. Die Sonne war inzwischen komplett untergegangen und es war schwarze Nacht. Wir suchten mit der Taschenlampe nach der Brille am Meeresboden und sahen das schwache schimmern des Bügels und der Gläßer. Ein schwacher Schimmer für einen Polizisten, ein großer Hoffnungsschimmer für uns. Die Polizisten waren hierbei sehr geduldig, entgegenkommend und hilfsbereit.

Nun blieb die Frage wie man die Brille wieder aus dem Wasser bekam. Leider bekamen wir am anderen Ende der Sprachbarriere nicht viel mit, was sie untereinander besprachen und planten, was uns innerlich ganz ausgeliefert fühlen ließ.
Die nette Touristenhilfe dolmetschte ein bisschen für uns. Die Polizisten sahen keine Möglichkeit ins Wasser zu steigen, da der Meeresboden hier angeblich sehr morastig und gefährlich sei – da schwand unsere Hoffnung wieder etwas. Für uns klang das etwas nach einer faulen Ausrede, sich nicht die Uniform nass zu machen. Wir boten auch an selbst ins Wasser zu steigen, aber das war ihnen auch nicht recht. Stattdessen brachten wir sie dazu nach etwas zu suchen um die Brille herauszufischen.
Nach langem hin und her und einigen Funksprüchen mit der Zentrale kamen plötzlich immer mehr Streifenwagen dazu. Inzwischen sprang ein gutes Dutzend Polizisten an der Promenade umher und irgendwo wurde auch ein lokaler Fischer aufgetrieben, der einige lange Stangen und Haken dabei hatte. Festen Standes und starken Blicks stand ein Polizist schließlich auf der Ufermauer. In den Lichtkegeln der Taschenlampen seiner Kollegen stocherte er mit der Hakenstange im Wasser herum, bis er schließlich die Brille emporzog. Anna trieb der Anblick schon die Tränen der Erleichterung in die Augen – sie würde auch für den Rest des Urlaubs noch etwas sehen und müsste nicht auch die Abende mit Sonnenbrille verbringen. Ein Trinkgeld wollte keiner der Beteiligten annehmen – es sei ihr Job! Am Ende wurden noch ein paar Fotos für Polizeiberichte und einen Presseartikel der Touristeninfo geschossen – hierfür stellte sich der Polizist nochmal auf die Ufermauer für eine Inszenierung.

Vollkommen erleichtert genossen wir unsere letzte Nacht in Campeche. Neben einem schicken Springbrunnenschauspiel mit LED Lichtershow und lauter Musik, bei dem alle drei Komponenten vollkommen out-of-sync miteinander waren, gab es noch die billigesten Cocktails unserer Reise. Für umgerechnet 3€ gabs hier ein Glas, groß wie eine Suppenschüssel, voll Margharita – und das auch ordentlich stark. Genau das Richtige nach so einer nervenzerreibenden Aktion also!

Am nächsten Tag ging es dann weiter nach Xpujil – die Fahrt war allerdings alles andere als gemütlich!

Tag 9