YUCATAN ROADTRIP

Über Bacalar hatten wir im voraus schon viel Gutes gehört und wir freuten uns nach einem Loch wie Xpujil umso mehr auf die hippe Touristenstadt. Bacalar liegt direkt an der sogenannten Lagune der sieben Farben. Tatsächlich hat die Lagune kristallklares Wasser, das mal heller, mal dunkler schimmert – ganze sieben Farben konnten wir dann aber doch nicht zählen. Gemessen von hellblau über dunkelblau bis schwarz und noch dem ein oder anderen Grün- und Gelbton, wir würden wir sie eher die Lagune der fünf Farben taufen. Einladend ist sie trotzdem.
Ein entspannter Badetag in der Lagune ließ allerdings erstmal auf sich warten – Mexiko wollte noch etwas länger mit unseren Nerven spielen. Wir hatten uns ein gehobenes Hotel gegönnt und hofften auf etwas Service, vielleicht sogar einen frühen Check-in. Doch der junge Rezeptionist erklärte uns per Übersetzer-App, dass das nicht möglich sei – stattdessen könnten wir erst um 18:00, drei Stunden später als geplant, ins Zimmer. Während wir noch verdutzt waren, lief plötzlich ein Kammerjäger in Gasmaske, Blaumann und mit Pestizidenspray an der Rezeption vorbei. Wir wollten sofort wissen, ob der Kammerjäger wegen irgendwelcher Kakerlaken hier sei – aber der junge Rezeptionist versicherte uns, dass die Pestizide als reine gesetzlich vorgeschriebene Vorsichtsmaßnahme versprüht werden. Wir dürften deswegen drei Stunden lang nicht in die Zimmer, meinte er.
Ich nahm es gelassen und schlug ein Mittagessen vor, um die Wartezeit zu überbrücken. Anna hingegen war zurecht alarmiert. Sie war noch vom Schimmelzimmer in Xpujil angeschlagen und hatte sofort Angst vor dem nächsten Allergieausbruch. Wir recherchierten im Internet, telefonierten mit ihrem Mexiko-erfahrenen Bruder und bereiteten eine Beschwerde vor. Lieber ein anderes Hotel suchen, als eine Nacht in Pestizid-Dämpfen verbringen.

Auf dem Rückweg vom Mittagessen zum Hotel kam wir noch zufällig an der Touristen-Info der Stadt vorbei und dachten wir fragen dort mal nach was es mit dem Pestizidenspühen auf sich hat – der Mann der dort auf seinem Plastikstuhl saß und durch Social Media scrollte hatte praktisch keine Englisch-Kenntnisse und so griffen wir wieder zur Übersetzer-App. Unsere Fragen über die Allergieverträglichkeit der Pestizide ignorierte er und versuchte uns stattdessen direkt ein anderes Hotelzimmer zu verkaufen – vermutlich das eines Bekannten. Etwas irritiert und verärgert zogen wir weiter.
Als wir zurück am Hotel waren, war die Rezeption erstmal unbesetzt – der junge Rezeptionist war im Hinterzimmer mit Videospielen beschäftigt. Sein Fluchen bei jeder Niederlage sollten wir in den nächsten Tagen noch öfter im Vorbeigehen hören. Nachdem wir ihm mit einem lauten Klopfen zurück an die Tresen gebracht hatten und ihm unsere Lage geschildert hatten teilte er uns ganz überraschend mit, dass die Gästezimmer gar nicht behandelt werden und nur die Außenanlage besprüht wurde – die ganzen Sorgen waren also umsonst und uns fiel ein Stein vom Herz. Er sagte auch, dass der Kammerjäger schneller war als gedacht und wir das Zimmer bereits beziehen konnten. Endlich konnten wir also unsere lang ersehnte Entspannungsphase einleiten.
Am selben Abend ging es für uns nochmal ins Restaurant – da Anna während des Mittagessens nichts heruntergebracht hat, hatte sie noch Hunger – und ich sowieso immer auch. Es ging in einen hippen, modernen Taco-Laden, der sofort unser Stammlokal werden sollte. Wir waren des Experimentierens müde und ganz froh, mal eine Routine aufzubauen. Als wir also da saßen und genüsslich unsere Burritos aßen, hörten wir, wie sich ein Zisch-Geräusch von der Straße näherte.
Was dann um die Kurve kam, war der wohl ironischste Moment unserer Reise: Ein Pickup-Truck mit einer riesigen Pestizidenkanone auf der Ladefläche. Das Gerät besprühte gnadenlos jeden Quadratzentimeter des Grünstreifens – und kollateral auch gleich den Bürgersteig, parkende Autos und die Straße. Während wir uns noch vor einigen Stunden Sorgen um ein paar kleine Fläschen des Kammerjägers machten, sahen wir nun ungläubig zu, wie die ganze Stadt in eine Pestizidenwolke gehüllt wurde. Spätestens jetzt war uns das ganze Thema egal – jegliche Sorge über die gesundheitliche Schädlichkeit des Ganzen war sowieso zwecklos… und so aßen wir schulterzuckend und lachend weiter.
Am nächsten Tag fuhren wir zu einer bekannten Badestelle im Süden der Stadt, um endlich in der Lagune zu baden. Unser Auto war inzwischen mit einer dicken Pestizidschicht überzogen. Der Eintritt kostete 100 Pesos pro Person – nicht gerade günstig, aber laut Travel Blogs lohnenswert. Die Betreiber hatten Hängematten und Schaukeln ins seichte Wasser gestellt, ideale Fotomotive und perfekte Plätze zum Entspannen. Die Fotos im Internet sahen vielversprechend aus – die Realität weniger. Viele Hängematten waren abgerissen oder hingen voller Algen im Wasser. Die Schaukeln waren im Boden eingesunken, ihre Sitze nun unter Wasser. Wer im Physikunterricht aufgepasst hat, weiß: Wasser bremst – Schwung holen war unmöglich. Die Lösung wäre simpel: kürzere Ketten – Instandhaltung ist anscheinend allerdings ein Fremdwort im mexikanischen Vokabular.



Aber auch ohne Schaukeln und Hängematten war die Badestelle ganz schön. Nach dem Baden legten wir uns auf der Grünfläche vor dem Wasser nieder und genossen etwas Sonne und Snacks. Auch ein paar Plastiktische und -stühle hatten die Betreiber aufgestellt. Kurz hatten wir überlegt uns zum Essen dorthin zu setzen, waren aber dann doch zu faul aufzustehen. Zum Glück! Nur haarscharf sind wir hier einer mexikanischen Abzockfalle entronnen! Ein paar mexikanische Inlandstouristen hatten sich kurz nach unserer Überlegung an einem nahen Tisch niedergelassen und begannen ganz naiv damit ihre mitgebrachten Speisen zu vernaschen und sich aufgebracht zu unterhalten. Sofort kam einer der Betreiber angetanzt. Er knöpfte ihnen eine Tischnutzungsgebühr von umgerechnet 5€ ab! Als die Touristen brav bezahlt hatten macht er sich wieder zufrieden aus dem Staub. Wir waren ganz verdutzt und hatten inzwischen Angst auch nur irgendwas auf dem Gelände anzufassen. Ob wohl das Entsorgen von Müll im Mülleimer eine Mülleimernutzungsgebühr mit sich ziehen würde? Kostet es vielleicht extra, wenn man Fotos machen möchte? Fragen über Fragen… eine Frage stellte sich allerdings nicht: die, ob wir am nächsten Tag hier nochmal herkommen wollen – eher nicht!
Stattdessen zog es uns am nächsten Tag an eine andere Badestelle, dem Eco Park. Dabei handelt es sich um einen Holzsteg-Rundweg vom Ufer in die Lagune und über ein sumpfiges Moor wieder zurück. Eintritt? Nur 1€ pro Person und damit ein echtes Schnäppchen. Im Internet haben wir zudem gelesen, dass das Eintrittsbändchen wiederverwendbar ist, weshalb wir es als schwäbisch-fränkische Sparfüchse natürlich über Nacht am Handgelenk behalten haben.


Der Aufmachung nach ist der Eco Park wahrscheinlich eher als Lehrpfad gedacht. Ein in den Boden geschnitzter Zeitstrahl mit einigen Jahreszahlen und Fakten deutet darauf hin. Die meisten Besucher ignorieren das ganze allerdings und nutzen den harten Holzsteg nur zum Sonnen und als Badegelegenheit.
Ein paar Treppen entlang des Stegs führten uns ins seichte Wasser der Lagune. Man sagt zwar, es gäbe Krokodile in der Lagune, aber so unbeaufsichtigt und unbesorgt hier Touristen und Einheimischen baden, taten wir das als Mythos ab. Diese Illusion wurde uns noch am selben Abend genommen. Eine gemeinsame Freundin war zufällig zur gleichen Zeit in Bacalar und erzählte uns beim anschließenden Abendessen, dass sie noch am selben Morgen ein Krokodil erspäht hatte. “Wo?”, wollten wir natürlich wissen. Am Steg neben dem Eco Park, sagte sie… *Schluck*

Das hielte uns aber nicht davon ab, am nächsten Tag gleich wieder dort baden zu gehen – schließlich hatten wir ja noch unsere Eintrittsbändchen am Handgelenk! Mit absoluter Selbstverständlichkeit liefen wir also an der Kasse vorbei und hoben nur kurz unseren Arm um unsere Bänder zu präsentieren… uuuuunnnnd wurden zurückgepfiffen! Was wir im Internet gelesen hatten, waren wohl Falschinformationen – oder vielleicht jemand, der Glück gehabt hat. Wir mussten jedenfalls nochmal Zahlen, was bei dem geringen Eintritt auch nicht weiter schlimm war. Mit zwei Bändern an jeweils einem Handgelenk ging es wieder raus auf dem Steg. Wir verglichen das neue und das alte Band auf der Suche nach einem Datumstempel o.ä. was es rechtfertigen würde, konnten allerdings nichts finden. Wir kamen uns dann doch leicht verarscht vor.
Nachmittags wollten wir uns noch das örtliche Museum und die spanische Festung, in der es sich befindet, anschauen. Wie so oft kam auch hier ein aufdringlicher Tourguide auf uns zu und wollte uns eine Museumsführung anbieten. Er gab uns gleich im Hof der Festung eine Kostprobe, damit wir uns von seinem Wissen überzeugen konnten. Der Brunnen der Festung, erklärte er, wird von Touristen oft für magisch oder mystisch gehalten, er sei aber ein einfacher Brunnen zum Wasserschöpfen gewesen… Wir warteten weiter gespannt auf die Pointe, aber scheinbar war sie das schon. Eine schlechtere Kostprobe hatten wir selten zu hören bekommen, weshalb wir dankend ablehnten. Das Museum war wieder sehr überschaubar und auch ohne geführte Tour konnten wir erstmals ein bisschen was über die Maya, ihren Handel und ihren Ackerbau lernen. Nach dem kurzen Besuch hatten wir natürlich wieder Hunger.



Da unser Stammlokal geschlossen war, suchten wir ein anderes Burrito-Restaurant. Der Betreiber, ein entspannter Europäer, wirkte wie ein gestrandeter Backpacker. Seine lockere Art zog viele Kunden an – das Essen hingegen war nur durchschnittlich. Während wir aßen, staunten wir über den Kundenandrang. Als eine größere Gruppe eintraf, um auch noch die letzten freien Tische zu füllen, beschloss er allerdings spontan, zu schließen – obwohl laut Öffnungszeiten noch zwei Stunden offen sein sollte. „Ich arbeite, solange ich Lust habe“, erklärte er. Mit Unternehmertum scheint er sich wohl nicht auszukennen… insofern hat er sich wohl gut in Mexiko integriert.
Um den Abend noch würdig zu beenden, machten wir uns auf die Suche nach einem Mojito und wurden nahe dem Stadtzentrum fündig. Ein lustiger und lebensfreudiger Barkeeper warb hier im Alleingang mit mehr Engagement und Lautstärke für seine Bar als es eine ganze Gruppe Cheerleader gekonnt hätte. Mit gespielten Stripeinlagen und Geschrei zog er teilweise angewiderte Blicke und teilweise neugierige Kunden an. Wir gehörten zu letzterer Gruppe. Wohlgemerkt wollten wir uns eigentlich nur einen Mojito teilen und uns nicht unnötig betrinken, aber der Kellner brachte uns entgegen unserer Bestellung zwei. Wenn das Schicksal mir einen ganzen statt einem halben Mojito präsentiert, sag ich nicht nein, und da Anna auch nicht nein sagte, behielten wir beide Mojitos. Das bezahlten wir teuer – im wahrsten Sinne des Wortes.

Noch während wir genüsslich an den Drinks sippten sah ich auf der Karte dass die Dinger 180 Pesos, also 9€ pro Glas kosten! Wucherpreise, wenn man bedenkt, dass wir in unserem Stammlokal einen Bruchteil dessen gezahlt hätten! Nun möchte man im Urlaub ja nicht geizig sein und sich von so etwas die Stimmung verderben lassen, aber wir hatten in diesem Moment leider keine 360 Pesos mehr im Geldbeutel. Im angetrunkenen Zustand ließ ich mich davon nicht aus der Stimmung bringen und Anna redete sich ein, sie würde es einfach mit ihrer Kreditkarte bezahlen und wir ließen die Rechnung kommen. Dummerweise ließ uns die Karte hier zum wiederholten Male im Stich, weshalb ich im Stechschritt ins nahegelegene Hotel zurück musste, um mehr Geld zu holen. Anna blieb dabei als Kaution zurück und musste einige genervte Blicke und Kommentare des Kellners ertragen. Als die Rechnung beglichen war und der Stress damit verflogen war, blieb nur der Alkohol und unsere gute Laune war wieder zurück.
Am letzten Tag unseres Bacalaraufenthalts planten wir eine Bootstour mit unserer gemeinsamen Freundin. Die hatte bereits einen passenden Anbieter hierfür ausgemacht und so trafen wir uns am nächsten Morgen an dessen Bootsanlegestelle. Die Tour führte uns durch die schwarze Cenote – schwarz, weil es wie ein schwarzes Loch das Licht schluckt. Sprunghaft steigt die Wassertiefe von wenigen Metern auf über Hundert Meter. Zweimal stoppten wir auch um zu baden – stetiger Begleiter dabei war die laute Hip Hop Beschallung unseres Captains. Komischerweise waren wir von den vielen Bootstour-Booten an den Badestellen das einzige, das das umliegende Naturschutzgebiet lautstark beschallte. Fremdgeschämt haben wir uns trotzdem nicht – dafür hatte uns Mexiko schon zu sehr abgebrüht. Persönliches Highlight der Tour war der Rohbau eines Restaurants in Form eines Schiffsrumpfs auf einer kleinen Insel in der Lagune. Der Bau wurde vor mehr als zehn Jahren aus Naturschutzgründen gestoppt – der Bauherr hat hier einfach ohne Genehmigung angefangen zu bauen.



Vor unserer Abreise gelang es uns zudem noch, unsere Geldprobleme zu lösen – nach unzähligen Fehlversuchen mit verschiedenen Karten und Bankautomaten, hat es schließlich mit meiner EC-Karte am Automaten einer europäischen Bank geklappt, Geld abzuheben. Auch hier fiel uns ein großer Stein vom Herzen. Mit haufenweise Bargeld im Gepäck checkten wir aus unserem Hotel aus und wollten weiter nach Valladolid mit einem Zwischenstopp im uns bekannten Tulum. Nur unsere Kaution wollten wir vorher wieder zurück! Die mussten wir nämlich beim Check-In hinterlegen und das war nicht billig. Den Umschlag mit der Kaution hat der videospielsüchtige Rezeptionist leider verschlampt und da die Rezeption diesmal von zwei Damen besetzt war, wussten diese von nichts. Ein kurzes Telefonat klärte die Sache zum Glück und wir bekamen die Kaution aus einer anderen Geldquelle ausgezahlt. Ein Glück hatten wir in dem Umschlag nicht einen Pass als Kaution hinterlegt! Unser Vertrauen in die Mexikaner war fortan nicht größer als in die Wahlversprechen unserer heimischen Politiker. Kurze Zeit später wurden wir auch noch beim Tanken abgezockt. Zumindest vermuten wir das, denn trotz ähnlichem Literpreis und halbem Tank bezahlten wir fast doppelt so viel wie für alle anderen Tankstellenstops auf unserer Reise.
Truthful Traveler’s Tip!
Plane hier und da ein paar Prozent Abzockerie in dein Mexiko-Reisebudget ein!

Tag 14