YUCATAN ROADTRIP

Eigentlich wollten wir unsere Reise nicht damit beginnen, im übermüdeten Zustand eine halbe Stunde nachts am Gepäckband des Flughafens von Cancun zu stehen und reisten daher mit Handgepäck… Dass wir dann trotzdem im übermüdeten Zustand eine halbe Stunde am Gepäckband des Flughafens von Cancun stehen mussten, ging auf die Kappe unserer Airline, und dabei insbesondere auf eine sehr durchsetzungsstarke, kanadische Stewardess. Alle Fluggäste, die sie in München in die Finger bekam, wurden im Befehlston dazu degradiert ihre Handgepäck-Koffer einzuchecken. Unsere deutsche Überpünktlichkeit wurde uns hier zum Verhängnis. Die verplanten Touris, die kurz vor knapp am Gate erschienen, waren natürlich ausgenommen, weil bis dahin schon genug Handgepäck aufgegeben wurde.

Truthful Traveler’s Tip!
Werde nicht Opfer der Gib-dein-Handgepäck-auf-Stewardess indem du überpünktlich am Gate wartest!
Von diesem kleinen Zwischenfall ließen wir uns unsere Stimmung allerdings nicht trüben und machten uns mit kleiner Verspätung und unseren Koffern auf zum Mietwagenschalter. Dabei gabs die nächste kleine Überraschung. Der gelangweilte Mitarbeiter der Autovermietung erklärte uns in gebrochenem Englisch, dass wir bei einer Bar warten sollten und dass wir von dort abgeholt werden und zum eigentlichen Mietwagen-Standort geshuttelt werden sollten. Soweit so gut.
Die Fahrt wurde durch lautstarke Musik untermalt – etwas, das uns stetig durch unseren Mexiko Urlaub begleiten sollte – die Mexikaner können anscheinend nur bei Dauerbeschallung arbeiten. Da wir noch keine Pesos gewechselt hatten, gaben wir dem Fahrer einfach ein paar Euros als Trinkgeld. Gemietet hatten wir einen Kompaktwagen und in weißer Voraussicht mit Vollkasko und Diebstahl-, sowie Abschlepp- und Unfallversicherung – wir reisten schließlich in ein Land, das nicht für seine Sicherheit und guten Straßenverhältnisse bekannt war. Für dieses Rundum-Sorglos-Paket hatten wir auch gut Geld hingelegt.
Netterweise wollte uns die Dame der Autovermietung gleich noch ein zweites Rundum-Sorglos-Paket aufschwatzen – diesmal sogar noch teurer als das Erste und auch teurer als der Mietwagen selbst… Das erste Rundum-Sorglos-Paket sei wohl etwas bürokratisch aufwändiger, da es von einem externen Versicherer sei und nicht von dem Verleih selbst. Ihr Angebot lehnten wir dankend ab und riskieren lieber dieses extra an Bürokratie im Schadensfall… als deutsche Steuerzahler sind wir sowieso schon sehr bürokratieerprobt.
Nach erfolgreicher Bezahlung der Kaution erhielten wir endlich einen Autoschlüssel! Und sonst nichts… Das Auto mussten wir selbst suchen – auf einem etwas heruntergekommenen, stockdunklen mexikanischen Hinterhof. Die Euphorie, dabei endlich den ersten mexikanischen Boden unter den Füßen zu haben, geriet erstmal etwas in den Hintergrund…
Wir fanden unser Auto und versuchten nun wie gewissenhafte Reisende Schäden am Auto zu dokumentieren. Leider war das bei der Dunkelheit kaum möglich, was wir versuchten der Dame vom Verleih zu vermitteln. Diese versicherte uns, das sei gar nicht nötig, da unser Auto bei der Ausfahrt von allen Seiten hell abgelichtet wird. Die Fotos würden sie uns schicken. Mit unserem anfänglichen Misstrauen gegenüber mexikanischen Geschäftspraktiken gingen wir zurück zum Auto und machten trotzdem noch ein paar schäbige Handyfotos unter Blitzlicht. Im Nachhinein müssen wir allerdings sagen, dass wir uns das hätten sparen können.

Mit dem Schlüssel in der Zündung nahm nun der Höllenritt seinen Lauf. Es lag eine zweistündige Autofahrt von Cancun nach Tulum vor uns. Grund für diesen Ritt zu nächtlicher Stunde? Wir wollten nicht in die Fänge der berüchtigten Taxi-Mafia von Cancun fallen und nicht noch ewig durch das Einbahnstraßenlabyrinth der Millionenstadt irren. Das etwas entferntere Tulum schien uns der bessere Ort für unseren ersten Morgen in Mexiko und die zweistündige Anfahrt schreckte uns erstmal dabei nicht ab – wir wussten zum Buchungszeitpunkt unseres Hotels in Tulum schließlich noch nicht, was uns auf der Straße alles erwartet…
Unsere erste Verkehrserfahrung in Mexiko war wie ein Sprung ins kalte Wasser einer mexikanischen Cenote – den zahllosen paradiesischen Wasserlöchern, die es hier gibt, aber dazu später mehr. Bei schwacher Scheinwerfer- und Straßenbeleuchtung und strömenden Regen haben wir in der stockdunklen Nacht erstmal nicht viel von der Straße gesehen. Wir orientierten uns stattdessen an den Rücklichtern unseres Vordermanns. Auch Leitpfosten oder Straßenmarkierungen sind in Mexiko eine Seltenheit. Wenn die Straßenmarkierungen nicht schon verbleicht oder verwaschen sind, dann dienen sie den Mexikanern sowieso lediglich als grobe Orientierung und nicht etwa als Verkehrsregelung.
Um saubere Spurhaltung oder Einfädelung an Kreuzungen, Auffahrten und Ampeln, schert sich hier niemand. Wir haben uns kaum getraut schneller zu fahren als die Lastwagen und die lokalen Reisebusse. Die Scheibenwischer unseres Autos waren durch den Regen genauso an ihrem Limit wie unsere Nerven. Wenn man dann denkt, man hat alles gesehen, erspäht man noch in letzter Sekunde einen Fußgänger am Straßenrand.
Eine deutsche Autobahn ist aus gutem Grund eine fußgängerfreie Zone – wer ist denn schon so lebensmüde und würde, v.a. Nachts, neben vorbeipeitschenden Autos und Lastwagen am Rand der Autobahn spazieren? Aus Mangel an Alternativen sind die meisten mexikanischen Highways allerdings auch für Fahrrad und Fußgänger die erste Wahl zum Vorwärtskommen. Dass man dabei fast permanent von TÜV-ungeprüften Schrottkarren oder Lastwagen mit fragwürdiger Ladungssicherung über den Haufen gefahren wird, scheint einfach mexikanisches Lebensrisiko zu sein.
Truthful Traveler’s Tip!
Nimm dir einen Automatik-Wagen in Mexiko. Es gibt schon genug Sachen auf die du im mexikanischen Verkehr achten musst – zumindest zählt dann die Gangschaltung nicht mehr dazu.
Zwei Stunden später kamen wir völlig erschöpft in Tulum an. Wenn man davor nicht sowieso schon urlaubsreif war, dann ist man es nach so einem Höllenritt allemale.

Tag 2 – 5